Alte Bräuche und Anekdoten

Wer weiß schon heute noch, was „Fischen“ ist? Oder der Tanz um das Kirmesloch? Viele alte Bräuche sind in Vergessenheit geraten.

Fischen

Ganz streng sind die Vorschriften in der Maiverordnung aus den 50er Jahren:

Jedes Vereinsmitglied ist verpflichtet, drei Mailehen zu ersteigern.

Wer in der Zeit von Ostermontag bis einschließlich zum Maiball (außer Samstag) bei einem zur Versteigerung gelangten Mädchen und dann nur bei der eigenen Mailehen sitzend angetroffen wird, verfällt in eine Strafe wie folgt: Vorstand 1 Mark, jedes Mitglied 50, Fischpolizei eine Mark, Maikönig eine Mark.

Geht ein Vereinsmitglied in der genannten Zeit in Begleitung einer versteigerten Dame spazieren, so ist beim Verlassen des Ortes die Dame am Arme oder an der Hand zu führen. Strafe erfolgt wie zuvor.

Die im Verein angestellten Boten sind besonders dazu verpflichtet, eifrig danach zu forschen, dass die obigen Bestimmungen von allen Mitgliedern gehalten werden.

Die Strafgelder sind in der folgenden Zeit und zwar bis zum kommenden Maifest zu erledigen.

Damit diese Regeln auch eingehalten wurden, wurden sie von „Boten“ oder der „Fischpolizei“ überwacht. So wurden die Kontrolleure des Junggesellenvereins genannt.

Und die scheuten keine Mühe, um die Junggesellen zu überwachen und abzukassieren. Laut einer Anekdote hat sich ein Bote sogar mal bei den Eltern einer Mailehe im Schrank versteckt. Um dann beim ersten Regelverstoß dort hinauszuspringen: Erfischt!

Geduld war gefragt. Oft musste stundenlang gelauert werden. Die Zielpersonen zu finden, war nicht schwer. Man wusste ja, wo ein Junggeselle freien ging. Dorthin begaben sich die „Boten“ dann.

Stippen

Die Älteren kennen diesen Brauch noch: Das Stippen. Wer zum „Opfer“ wurde, hat die Junggesellen bestimmt verflucht…

Der Brauch erklärt sich so: Hatte ein Junge in Kirchheim ein Mädchen geehelicht, aber dem Junggesellenverein keinen ausgegeben, dann wurde gestippt. Das bedeutet, dass das Haus der frischgebackenen Eheleute mit Holz, Brettern und ähnlichem komplett zugestellt wurde. Niemand kam mehr herein oder heraus.

Auch um das „Stippen“ rankt sich so manche Anekdote. Ein Hochzeitspaar hatte das Pech, dass gegenüber gerade ein Rohbau stand. Da gab es natürlich genug Holz und Bretter…

Die Junggesellen waren erfinderisch, wenn es um Material fürs Stippen ging. Auch die ein oder andere Gartentür wurde ausgehangen und vors Haus gestellt.

Die Sachen wegräumen musste das frischgebackene Ehepaar. Das musste schauen, wie es sich einen Weg aus dem Haus bahnte. So groß der Einsatz beim „Stippen“ war: Beim Wegräumen halfen die Junggesellen nicht.

Trommeln

Das Trommelschlagen war eine besondere Zutat zur Feier der Kirmes und anderer Feste. Für die Obrigkeit war es ganz einfach nur eine Ruhestörung. Es wurde verboten.

Im Oktober 1838 war es auch in Kuchenheim (Kirchheim gehörte zum dortigen Bürgermeisteramt) so. Bürgermeister Overstolz erließ eine Verordnung: In Erwägung, dass das bei Kirmessen und sonstigen Lustbarkeiten stattfindende Trommeln und Hahnenköppen die öffentliche Ruhe stört. Von nun an werde solcher Unfug nicht mehr geduldet. Diejenigen, welche diese Verordnung übertreten, sollen sofort dem Polizeigericht zur Bestrafung angezeigt werden.

Doch in Kirchheim war das Trommeln zu Festtagen weiter hoch im Kurs. Im Jahre 1840 wurde es von dem Tambour Michael Mahlberg ausgeübt. Und so war Ärger vorprogrammiert: Ihm wurde daraufhin von dem Polizei-Sergeanten die Trommel abgenommen.

Doch es wurde weiter getrommelt, wie eine Verfügung des Kuchenheimer Bürgermeisters vom 26. Oktober 1840 zeigt: „… dass das während der Kirmestage zu Kirchheim stattfindende Trommeln, welches vom frühen Morgen bis spät in die Nacht dauert und womit gar keine militärischen Aufzüge und Übungen, wohl aber allerlei mögliche Exzesse, Balgereien, Lärm und Ruhestörung in Verbindung stehen, durch einen von mir unterm 22. Oktober 1838 erlassenen Polizeibeschluss verboten worden ist.“

Der Polizeidiener Helmet wurde angewiesen, die Trommel zu beschlagnahmen. Doch da hatte er die Rechnung ohne die Kirchheimer gemacht. Er ist „… von der rohen Rotte auf die allgemeinste Art beschimpft und mißhandelt worden“, so steht es in einem Protokoll.

Der arme Polizeidiener musste 1841 wieder nach Kirchheim. Er ließ die Gemeinde sich versammeln, wies erneut auf das Verbot hin. Doch der neue Trommler Theodor Jonas marschierte mit der Trommel über die Straße und „ durchzog er so an der Spitze einer tumultuarischen Volksmenge trommelnd das ganze Dorf.“ Was nicht ohne Konsequenzen für den Trommler, der beim 28. Infanterie Regiment zu Köln diente, blieb: Er bekam „drei Tage Mittelarrest“.

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Tanz ums Hahnenloch in den 50er Jahren

v.l. Jokob Heimbach, Peter Bertram, Margarete Schmitz geb. Kirch (vorne), Josef Krümmel (oben rechts)

Tanz um das Kirmesloch (Hahnenloch)

Dieser Brauch fand nach der Verlesung des Hohnshecker Protokolls statt. Die Maipaare, aber auch andere Tanzwillige, versammelten sich um das Loch, in dem der Kirmesknochen vergraben war. Das Loch (Grube) war circa 2 Meter im Durchmesser groß und mit Sand gefüllt. Sobald die Paare tanzten, wurde von den anderen Besuchern, aber auch untereinander, versucht, ein tanzendes Paar ins Loch zu schubsen. Wer in das Loch trat, musste eine Strafe bezahlen. Dort ging es manchmal so heftig zu, dass sich sogar eine Tänzerin (Gerda Küpper Madelene Gerda) an Kirmes 1964 den Arm brach.

„Pinn schliefe“

Dabei wurden die Holzstifte, die sich in Fachwerkhäusern befanden, mit einem Messer gerieben. Das dabei entstehende Geräusch war im ganzen Haus zu hören. Zum Leidwesen der Bewohner aber zur Freude der Junggesellen auf ihren Wegen durchs Dorf.

Türen oder Fensterladen aushängen

Des Öfteren wurden auch Fensterläden und Türen ausgehangen. Und das lief dann zum Beispiel so: Die Junggesellen besuchten jemanden. Alle setzten sich in die Stube, aber keiner sagte, meist zur Verwunderung der Bewohner, ein Wort. Nach einer gewissen Zeit nickte einer der Junggesellen mit dem Kopf. Daraufhin standen alle auf und verließen das Haus. Beim Hinausgehen wurde dann jedoch die Haustür aus den Angeln gehoben, was den Eigentümern jedoch erst auffiel, wenn sie die später benutzten.

Äzebär

Karnevalsdienstag zogen die Junggesellen durchs Dorf. Ein komplett in Stroh gepackter Junggeselle war der „Äzebär“. Er wurde an einer Kette geführt und bewegte sich zur Musik, die von dem Rest der Gruppe gemacht wurde. Instrumente waren meist Trommel und Akkordeon (Quetschebögel). Die Junggesellen bekamen an den Haustüren Geld oder einen Schnaps. Später wurde der Äzebär – oder natürlich vielmehr das Stroh, in das er gehüllt war – im Hof der Vereinswirtschaft verbrannt.

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Äzebär am Lindenberg in den 50er Jahren

v.l. Jakob heimbach, Josef Roitzheim, Franz-Josef Schmitz, Äzebär, Josef Wiskirchen, Hans-Josef Zimmer, n.b., Matthias Zimmer

„Leichenzug….“ (Anekdote)

In den frühen Morgenstunden, nach einer anstrengenden und langen Mainacht (Maibäume aufgestellt), begegneten einige Junggesellen auf ihrem Weg nach Hause Pfarrer Joseph Emonds. Die Junggesellen waren nicht mehr ganz nüchtern.

In der morgendlichen Predigt erwähnte Pfarrer Emonds diese Begegnung mit den Worten: „………heute morgen ist mir ein Leichenzug begegnet. Es waren Tote ohne Begräbnis.“

„Kaaf gestrauht“

Kaaf ist der Abfall vom Dreschen. Wenn ein Mädchen oder eine Frau einen unmoralischen Lebenswandel hatte, wurde vor ihrer Tür Kaaf ausgestreut.

Dat Dier (das Tier jagen)

Wenn jemand untreu wurde oder seine Frau schlug, dann kamen die Junggesellen ins Spiel: Um „dat Dier ze jage“. Mit Eisenwellen und Stäben ausgerüstet, allem, was Krach macht, marschierten sie zum Haus des Übeltäters. Dabei wurde gelärmt, Eisen auf Eisen geschlagen und gerufen: „Dat Dier, dat Dier.“ Und der Name des Übeltäters damit verbunden.

Wasser und Stroh

Früher wurde ja auf Bällen oft und gerne getanzt. Und dabei war es nicht gebührlich, wenn die Frau dem Mann einen Korb gab: Dann konnte es passieren, dass der Verschmähte nach draußen verschwand, einen Eimer Wasser und ein bisschen Stroh holte und im Saal vor die Frau stellte mit den Worten: „Suff und fress, Du Ösel.“

„Schwaze Schohwichs“

So derbe waren die Sitten: Vor nicht so langer Zeit wurden neue Junggesellen, die in den Verein eintraten, in der Lendengegend mit schwarzer Schuhwichse eingeschmiert. Diese Eintrittszeremonie wurde in der Regel beim Holen der Maibäume durchgeführt. Gar nicht einfach, das wieder zu entfernen. Da war Schrubben angesagt.

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Hohnsheck 1946

© Hans-Rolf Theissen & Petra Braun